Chancen für Frauen im Handwerk

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Das Handwerk beinhaltet über 130 Ausbildungsberufe. Damit bietet es ein reiches Angebot an Perspektiven und Karrierechancen. Doch noch immer werden diese relativ selten von Frauen wahrgenommen. Dabei bietet ein handwerklicher Beruf auch und besonders für Frauen viele Chancen. Schon lange ist bekannt, dass bei gemischten Teams jeder profitiert.

Frauen im Handwerk – Zahlen und Fakten

Männerberufe, Frauenberufe – offiziell gibt es diese Unterscheidung nicht mehr. Und vor dem Gesetz haben alle die gleichen Chancen und Möglichkeiten. Rollenbilder sollten also bei der Berufswahl nicht entscheidend sein. Doch die Realität zeichnet ein anderes Bild. Denn noch immer gibt es zahlreiche Berufsfelder, die von Männern oder von Frauen dominiert werden. Und auch innerhalb mancher Berufsgruppen zeigt sich eine Unterteilung in Männer- und Frauenberufe.

So neigen bei den handwerklichen Berufen Frauen dazu, eher im kreativen Handwerk ihren Platz zu finden. Besonders beliebt ist der Beruf der Maßschneiderin mit einem Frauenanteil von rund 85 % im Jahr 2019. Die Berufe der Kosmetikerin und Friseurin sind beinahe komplett in weiblicher Hand. Des Weiteren werden besonders viele Frauen Goldschmiedin, Konditorin oder Augenoptikerin. Bei manch einem technischen Handwerk ist der Anteil an Frauen und Männern etwa 50 : 50 – so im Bereich der Zahntechnik und der Orthopädieschuhmacherei.

Grundsätzlich sind Frauen in gewerblich-technischen Ausbildungsberufen weiterhin unterrepräsentiert – auch wenn eine leichte Steigerung des Frauenanteils in der jüngsten Vergangenheit zu verzeichnen war. Insgesamt liegt der Anteil von Frauen bei neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen im Handwerk bei etwa einem Fünftel. Allerdings wird mittlerweile auch jeder 5. Handwerksbetrieb von einer Frau geführt. Es entsteht der Eindruck, dass Frauen sich hohe Ziele stecken, wenn sie ein Handwerk ergreifen, und ihre Ausbildung oftmals als Basis für die Selbständigkeit nehmen.

Eine strikte Trennung in Männer- und Frauenberufe gibt es nicht mehr – doch die Geschlechtsstereotype halten sich hartnäckig (Foto: Adobe Stock- Robert Kneschke)

Eine strikte Trennung in Männer- und Frauenberufe gibt es nicht mehr – doch die Geschlechtsstereotype halten sich hartnäckig (Foto: Adobe Stock- Robert Kneschke)

<32>Frauen im Handwerk früher und heute

„Das war schon immer so“ ist ein Satz, den man häufig hört, wenn es darum geht, dass Frauen selten handwerkliche Berufe ergreifen. Und tatsächlich bestätigt sich dieses Bild, wenn man einen Blick in die Geschichtsbücher wirft – allerdings nur auf den ersten Blick. Denn Zünfte und Gilden werden meist als reine Männerdomänen geschildert. Doch gerade in den Städten zeigt sich bei genaueren Recherchen ein anderes Bild.

So waren selbständige Handwerkerinnen keine Seltenheit. Ein hoher Anteil von Frauen im Handwerk wird bis weit ins 15. Jahrhundert durch Dokumente von Gilden und Zünften belegt. Dort stehen nicht nur Gesellinnen neben Gesellen, sondern auch Meisterinnen neben Meistern. Es gab sogar reine Frauenzünfte, die sich genauso organisierten wie die Männerzünfte. Und Bilder zeigen Frauen mit Attributen des Handwerks wie Zirkel, Messstab und Winkel.

Seit dem 17. Jahrhundert waren allerdings die selbständigen Handwerkerinnen weitestgehend verschwunden. Und erst im 20. Jahrhundert kehrten die Frauen ins Handwerk zurück. Ausschlaggebend waren dafür vor allem die beiden Weltkriege. Denn während dieser Zeit mussten die Frauen die Arbeitskräfte der zum Kriegsdienst einberufenen Männer zu Hause ersetzen. Und während des Wiederaufbaus spielten Frauen ebenfalls auch und vor allem im Handwerk eine wichtige Rolle.

Doch bereits Ende der 1940er Jahre wurden die meisten Frauen wieder aus den Handwerksberufen entlassen und 1952 wurde sogar ein offizielles Verbot der Frauenarbeit im Baugewerbe eingeführt. Erst seit den 1980er Jahren gibt es wieder einen Anstieg von Frauen im Handwerk.

Frauen hatten demnach über weite Zeiträume in der Geschichte eine wichtige Rolle im Handwerk – wurden aber immer wieder durch herrschende politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen verdrängt. Heute bekommen sie glücklicherweise mehr Förderung und Unterstützung. So gibt es mittlerweile bundesweite Frauen-Netzwerke im Bereich Handwerk und mit Aktionen wie dem Girls‘ Day werden vor allem technisch-handwerkliche Berufe beworben.

Ein Grund, aus dem Frauen kaum in Männerdomänen des Handwerks vordringen, ist die Sorge vor vermeintlichen körperlichen Belastungen. (Foto: Adobe Stock- freepeoplea)_

Ein Grund, aus dem Frauen kaum in Männerdomänen des Handwerks vordringen, ist die Sorge vor vermeintlichen körperlichen Belastungen. (Foto: Adobe Stock- freepeoplea)_

 

Umdenken ist gefragt

Doch die Rollenstereotype sitzen tief und damit mehr Frauen einen handwerklichen Beruf ergreifen, ist vor allem Umdenken gefragt.

Ein Grund, aus dem Frauen kaum in Männerdomänen des Handwerks vordringen, ist die Sorge vor vermeintlichen körperlichen Belastungen. So sind besonders wenige Frauen im Bauwesen anzutreffen. Dabei geht es in vielen handwerklichen Berufen weniger um körperliche Herausforderungen als die meisten annehmen. So werden viele körperlich fordernde Aufgaben im Hoch- und Tiefbau heute von Maschinen und anderen technischen Hilfsmitteln übernommen. Das führt dazu, dass mögliche physiologische Unterschiede in vielen Berufen ausgeglichen werden.

Umdenken und ausprobieren – „geht nicht“ gilt nicht. Wer als Frau in einem männerdominierten Beruf Fuß fassen möchte, hat vielfältige Möglichkeiten. Wer sich bei der Berufswahl noch unsicher ist, kann beispielsweise zunächst Praktika in verschiedenen Branchen absolvieren oder durch einen Nebenjob ein Berufsfeld kennenlernen. Für eine Bewerbung sind dann Schulabschluss und Abschlussnoten, sowie Referenzen, Soft Skills und gegebenenfalls körperliche Voraussetzungen entscheidend.

Ein Umdenken muss auch insofern stattfinden, als dass überholte Rollenklischees überwunden werden. Dazu gehören sich hartnäckig haltende Vorurteile darüber, wie Frauen und Männer sich in ihrem Denken und ihren kognitiven Fähigkeiten unterscheiden. Und selbst Psychologen haben kein Verfahren, mit dem sie Männer und Frauen auseinanderhalten können.

Dass anatomische Unterschiede in Männer- und Frauenhirnen genetisch bedingt sind, ist nicht bewiesen. Denn unser Gehirn hat die Fähigkeit, sich immer wieder neu zu strukturieren. Wenn eine Frau also immer wieder hört, sie könne sich nicht gut anhand einer Landkarte orientieren, dann wird sie irgendwann vermeiden, dies zu tun und es werden sich keine entsprechenden Nervenverbindungen bilden. Übt sie aber dennoch, wird ihr die Orientierung anhand einer Landkarte irgendwann leicht fallen und ihr Gehirn entsprechende Veränderungen aufweisen.

Wir denken uns demnach in unsere Geschlechterrollen hinein und wenn wir Jungen und Mädchen von klein auf ermutigen, ganz unterschiedliche Dinge zu lernen – unabhängig von allen Klischees – geben wir ihnen die besten Chancen auf eine Berufswahl, die ihren Interessen entspricht.

Mehr Frauen im Handwerk – das bedeutet zahlreiche Chancen für die Arbeitgeber, aber auch für die Frauen selbst. (Foto: Adobe Stock-auremar)

Mehr Frauen im Handwerk – das bedeutet zahlreiche Chancen für die Arbeitgeber, aber auch für die Frauen selbst. (Foto: Adobe Stock-auremar)

 

Vorteile von und für Frauen im Handwerk

Ein großes Problem ist auch im Handwerk der Fachkräftemangel. Allein aus diesem Grund besteht für Unternehmen eine große Chance darin, mehr Frauen in Männerdomänen zu bringen. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass das gesamte Kollegium von mehr Frauen im Team profitiert. Denn mehr Diversität wirkt sich positiv auf das Betriebsklima und auf die Qualität der Arbeit aus. Auch für die Wahrnehmung des Unternehmens nach außen hin haben mehr Frauen im Team eine positive Wirkung. Das Unternehmen zeigt sich fortschrittlich und aufgeschlossen.

Frauen im Handwerk bringen ihren Arbeitskollegen und Vorgesetzten demnach einige Vorteile. Doch was ist mit den Frauen selbst? Schließlich ist für die wenigsten bei der Berufswahl ausschlaggebend, welche Vorteile man seinem Arbeitgeber bringt. Überzeugender sind für Frauen wohl andere Argumente. So kam eine Studie der Georg-August-Universität Göttingen zu dem Ergebnis, dass Frauen in handwerklichen Berufen besonders zufrieden sind.

Befragt wurden für die Studie mit dem Titel ‚Handwerksstolz‘ knapp 2.000 Handwerkerinnen und Handwerker. Rund 87 % der befragten Frauen gaben an, in ihrem Job besonders zufrieden zu sein. Der Durchschnitt aller Befragten lag diesbezüglich bei gut 78 %. Und ebenfalls 87 % der befragten Handwerkerinnen sahen ihren Beruf als ihre Leidenschaft an.

Darüber hinaus sollten auch finanzielle Aspekte nicht außen vor gelassen werden. So ist der Gender-Pay-Gap für Frauen in einer Männerdomäne deutlich kleiner.

Übrigens würde auch umgekehrt den als typischen Frauenberufen angesehenen Jobs ein höherer Männeranteil guttun. Denn leider ist es noch immer so, dass ein Arbeitsplatz, der implizit oder explizit als „weiblich“ eingestuft wird, eine Schmälerung seiner Bedeutung und Autorität erfährt. Sehr deutlich wird dies beispielsweise in Bezug auf Pflegeberufe. Wir alle wollen uns gut versorgt wissen, wenn wir krank sind oder im Alter auf Unterstützung angewiesen sind.

Bei genauerem Nachdenken würde niemand der Behauptung widersprechen, dass Pflegekräfte eine gesellschaftlich relevante Arbeit leisten. Dennoch findet dieser von Frauen dominierte Berufsbereich kaum gesellschaftliche Anerkennung, was sich unter anderem in Gehältern niederschlägt, die im Verhältnis zur übernommenen Verantwortung ausgesprochen gering sind.

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