Bewerbungen während Krankengeld-Bezug: zulässig oder rechtswidrig?

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Nicht wenige Arbeitnehmer tun es. In den meisten Fällen heimlich und unbemerkt, da der Arbeitgeber davon nichts mitbekommen darf: das Bewerben um eine andere Stelle oder Durchforsten von Stellenanzeigen während der Arbeitszeit. Das sieht kein Chef gerne und kann zur (berechtigten) Kündigung führen. Doch wie verhält es sich eigentlich im Krankheitsfall, wenn man sich zu Hause aufhält?

Bewerbungen auch während des Bezugs von Krankengeld zulässig?

Weitere Fragen, die sich viele Arbeitnehmer immer wieder stellen: darf ich mich während der Zeit der Krankheit auf andere Stellen bewerben oder sogar während dieser Phase zu Bewerbungsgesprächen fahren? Und wie steht es um Bewerbungen während Krankengeld bezogen wird, also wenn man auf längere Sicht krankgeschrieben ist?

Ganz grundsätzlich gilt: ein Arbeitnehmer darf – wenn er krankgeschrieben ist – nichts tun, was seiner Gesundheit schadet. Er muss alles daran setzen, um schnell wieder gesund zu werden und rasch an den Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Das bedeutet jedoch nicht, dass er die ganze Zeit über, von morgens bis abends, das Bett hüten muss oder das Haus nicht verlassen darf.

Die Zeit der Erholung muss vereinbar sein mit dem Krankheitsbild, d.h.: jeder Krankschreibung liegt ein anderer Grund, also eine andere Erkrankung, zugrunde. Jemand, der unter einer Depression leidet und nur phasenweise sowie nicht über den ganzen Tag verteilt seine Tiefpunkte hat, wird sich nicht den ganzen Tag ins Bett legen. Oder ein Arbeitnehmer, der z.B. wegen eines gebrochenen Arms für mehrere Wochen krankgeschrieben ist, wird sich während dieser Zeit nicht zu Hause einsperren und hier und da das Haus verlassen.

 Jemand, der unter einer Depression leidet und nur phasenweise sowie nicht über den ganzen Tag verteilt seine Tiefpunkte hat, wird sich nicht den ganzen Tag ins Bett legen. (#01)

Jemand, der unter einer Depression leidet und nur phasenweise sowie nicht über den ganzen Tag verteilt seine Tiefpunkte hat, wird sich nicht den ganzen Tag ins Bett legen. (#01)

Bewerbungen während Krankengeld, Sport, Shoppen – erlaubt ist, was der Genesung nicht schadet

Alles ist erlaubt, solange es der Genesung nicht im Wege steht. Auch wenn Krankengeld bezogen wird und man etwa für mehrere Monate ausfällt. Dies gilt dann natürlich auch für Bewerbungen während des Krankengeld-Bezugs. Auch Sport ist an und für sich kein Problem – solange die Krankheit nicht verschlimmert und damit der Genesungsprozess nicht verlangsamt werden.

Der Krankgeschriebene hat dafür zu sorgen, dass sein eigenes Verhalten zu einem zügigen Ende der Arbeitsunfähigkeit führt. Er muss alles tun, um diese Phase schnell zu überwinden. Dennoch können z.B. Vorstellungsgespräche – und damit nicht nur das reine Verfassen von Anschreiben bzw. schriftliche Bewerbungen während des Krankengeld-Erhalts – laut einem Gerichtsurteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom März 2013 rechtens sein.

Arbeitgeber: Ärger über Bewerbungen während des Krankengelds nachvollziehbar

Dennoch muss man auch die Arbeitgeber-Seite verstehen bzw. sich in den Chef hineinversetzen. Ist der Arbeitnehmer krankgeschrieben, so muss der Arbeitsgeber per Gesetz dem Erkrankten den Lohn für einen Zeitraum von sechs Wochen fortzahlen. Nach den sechs Wochen springt die gesetzliche Krankenkasse mit ihren Leistungen im Krankheitsfall ein: dem Krankengeld.

Dieses fällt in den meisten Fällen deutlich geringer aus als der vorherige Lohn. Insgesamt kann man Krankengeld wegen ein und desselben Leidens bis zu 78 Wochen erhalten. Sind im Anschluss drei Jahre abgelaufen, startet die 78-Wochen-Frist von vorne.

Dass es dem Chef erst einmal nicht gefällt, wenn er erfährt, dass sein Mitarbeiter die „freie Zeit“ nutzt – während der er auch noch seinen Lohn fortgezahlt bekommt – um sich nach Jobs umzusehen oder Bewerbungen während der Krankengeld-Zeit schreibt, ist naheliegend.

Artikel 12 Grundgesetz (GG) kann vor Kündigung schützen

Oder wie im Fall des Urteils von Anfang 2013: wenn der Chef erfährt, dass sein Arbeiter einerseits angeblich zu krank ist (Grund: eingeklemmter Nerv) um zu arbeiten, andererseits dann aber wiederum in der Lage zu sein scheint, die Kraft und Energie für ein Bewerbungsgespräch aufzubringen. Womöglich auch noch verbunden mit einer langen Anfahrt oder einer ausgedehnten Shopping-Tour durch die Innenstadt im Anschluss an das Jobgespräch.

Doch hier lohnt ein genauerer Blick: der Arbeitgeber kündigte seinem Untergebenen daraufhin, der Arbeitnehmer wiederum klagte dagegen. Das Gericht gab dem Mitarbeiter letztlich Recht. Zwar litt der krankgeschriebene Arbeitnehmer aufgrund seines Leidens an einer eingeschränkten Bewegungsfähigkeit des Arms. Jedoch bekam er von seinem Arzt lediglich die Anweisung, diesen nicht belasten zu dürfen.

In dem entsprechenden Fall sahen die Richter daher keinen Grund, wieso der Mitarbeiter sich nicht hätte bewerben sollen. Eine Bewerbung während des Krankengelds bzw. der Krankschreibung, würde in einem solchen Fall die Genesung – hier: die Erholung vom eingeklemmten Nerv – nicht weiter hinauszögern. Der Mitarbeiter habe seine Pflicht, „sich möglichst gesundheitsfördernd zu verhalten“, zu keiner Zeit verletzt, argumentierte das Gericht.

Auch Artikel 12 GG schützt hier den Angestellten. Jener Artikel schützt die Freiheit der Berufswahl. Jeder Deutsche hat danach das Recht, den Job, die Ausbildungsstätte und Arbeitsplatz frei und selbstbestimmt zu wählen. Aus diesem Grund war er zu jeder Zeit berechtigt, sich – auch während der Phase der Erkrankung – um einen anderen Job zu bewerben.

Sollte dennoch die Kündigung aufgrund von Bewerbungen während des Krankengeld-Bezugs oder der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erfolgen, muss man diese nicht immer einfach so hinnehmen. (#02)

Sollte dennoch die Kündigung aufgrund von Bewerbungen während des Krankengeld-Bezugs oder der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erfolgen, muss man diese nicht immer einfach so hinnehmen. (#02)

Bei Bewerbungen während Krankengeld-Bezug: Einzelfall-Betrachtung wichtig

Ganz allgemein muss man immer den Einzelfall betrachten. Schließlich kann es durchaus sein, dass die Erkrankung, etwa ein Burn-Out oder eine andere psychische Krankheit, erst dadurch entstanden ist, weil der Erkrankte nicht mehr mit dem Druck, den Kollegen, den Aufgaben etc. auf der Arbeitsstelle zurechtkommt und dies nicht erträgt. Was bleibt ihm da anderes übrig, als sich auf einen anderen Job zu bewerben, während er Krankengeld erhält bzw. krankgeschrieben ist.

Sollte dennoch die Kündigung aufgrund von Bewerbungen während des Krankengeld-Bezugs oder der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erfolgen, muss man diese nicht immer einfach so hinnehmen. Anders sieht es freilich etwa im Fall einer Fuß- oder Beinverletzung aus, die eigentlich strenge Bettruhe nach sich ziehen sollte und so auch ärztlich verordnet wurde. Nimmt der kranke Mitarbeiter, der länger als sechs Wochen zu Hause ist und daher Leistungen von der Krankenkasse bezieht, in diesem Zustand ein Gespräch war, so gestaltet sich die Angelegenheit anders.

Hier trägt der Mitarbeiter mit seinem Verhalten (Wahrnehmung eines Bewerbungsgesprächs bzw. der aktiven Bewerbung während er Krankengeld bezieht) nicht zur Genesung des Fußleidens bei, im Gegenteil.

Ein anderes Beispiel: jemand ist wegen Rückenbeschwerden krankgeschrieben, wird vom Chef oder Kollegen aber z.B. bei Gartenarbeiten oder einem Umzug, bei dem er selbst mit anpackt, erwischt. Die Zweifel des Arbeitgebers bzgl. der tatsächlichen Erfordernis und Dringlichkeit einer Krankschreibung, wären hier nachvollziehbar. Die krank kann mein Mitarbeiter wirklich sein, wenn er noch zu solchen Tätigkeiten in der Lage ist?

Anordnung des Arztes sollte Folge geleistet werden

In diesen und auch allen anderen Fällen – bezogen auf das, was für den Krankgeschriebenen an Tätigkeiten verboten und erlaubt ist – sind in erster Linie zwei Dinge entscheidend: die Diagnose und Entscheidung des Arztes. Danach bemisst sich, was für den Mitarbeiter alles „gesundheitsgefährdend“ ist, also z.B. das Heben schwerer Gegenstände oder das Laufen langer Strecken.

Bewerbungen während des Krankengelds und der Krankschreibung an sich, können auch also als jene gesundheitsgefährdenden Tätigkeiten angesehen werden. So z.B. wenn ein Arbeitnehmer mit einem schwerwiegenden Hand- oder Fingerleiden, viel Zeit mit dem Verfassen von Job-Anschreiben am PC verbringt und damit die Genesung weiter hinauszögert. Hatte ihm der behandelnde Arzt jegliche Belastung des Fingers oder der Hand untersagt, so wird sich das Nichtbefolgen dieser Anweisung durch den Arzt, vor Gericht negativ auf den Mitarbeiter auswirken.

Egal ob es um Bewerbungen während des Krankengeld-Bezugs, um ausgedehnte sportliche Aktivitäten oder Unternehmungen mit der Familie außerhalb der Wohnung geht: ist man krankgeschrieben, kann dies alles erlaubt und problemlos möglich sein, muss es aber nicht. Daher gilt eigentlich immer und ausnahmslos: unbedingt die Weisungen und Anordnungen des Arztes befolgen.

Erfolgen z.B. Bewerbungen während des Bezugs von Krankengeld, obwohl der Arzt unbedingte Bettruhe verordnet hat, so darf sich der Krankgeschriebene grundsätzlich nicht außerhalb der Wohnung aufhalten und bewegen. (#03)

Erfolgen z.B. Bewerbungen während des Bezugs von Krankengeld, obwohl der Arzt unbedingte Bettruhe verordnet hat, so darf sich der Krankgeschriebene grundsätzlich nicht außerhalb der Wohnung aufhalten und bewegen. (#03)

Bewerbungen während Krankengeld: solange die Tätigkeit nicht den Weisungen des Arztes widerspricht, zulässig

Erfolgen z.B. Bewerbungen während des Bezugs von Krankengeld, obwohl der Arzt unbedingte Bettruhe verordnet hat, so darf sich der Krankgeschriebene grundsätzlich nicht außerhalb der Wohnung aufhalten und bewegen. Bewerbungsgespräche sind damit in jedem Fall schon einmal unzulässig. Ausnahmen sind lediglich kurze Einkäufe oder das Aufsuchen der nächstgelegenen Apotheke.

Das Verfassen von Anschreiben, Zusammenstellen von Arbeitsproben, Überarbeitung des Lebenslaufs etc. – dies alles sind Tätigkeiten, die der Mitarbeiter auch trotz dieser Anordnung von Zuhause aus erledigen kann, notfalls auch vom Bett aus.

Heutzutage ist es aber auch so, dass Ärzte ganz allgemein nur noch sehr selten eine dauerhafte Bettruhe, der unbedingt Folge zu leisten ist, anordnen. Vielmehr verweisen Sie den Patienten darauf, sich so gut es geht zu schonen und alles zu unternehmen, um einen fortlaufenden Heilungsprozess in Gang zu setzen. Die gestattet u.a. den kurzen, erholsamen und damit gesundheitsfördernden Spaziergang, jedoch verbietet diese Anordnung des Arztes besonders kraftraubenden Sport oder auch einen längeren Aufenthalt in einer Freizeiteinrichtung, wie Schwimmbäder oder ähnliches.

Job-Kündigung wegen Missachtung der Bettruhe?

Doch wie sieht es eigentlich aus mit Fragen der Bettruhe und des adäquaten „Schonens“ bei Erkrankung?

Da in der Regel nur bei schweren und dauerhaften Erkrankungen eine (strenge oder eingeschränkte) Bettruhe angewiesen wird (z.B. bei Herzinfarkt, Lungenembolie, Thrombose), sind die meisten anderen Tätigkeiten in den eigenen vier Wänden erlaubt, wenn der Arzt vom „schonen“ spricht. Das schließt u.a. auch Bewerbungen während des Krankengelds ein, da dieser Vorgang – sofern es nicht das Wahrnehmen eines Gesprächs meint – in den meisten Fällen ohne Genesungs-Beeinträchtigung ausgeführt werden kann.

Zu häufigen Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter kommt es auch noch bei der Frage, ob generell ein Krankgeschriebener öffentliche Gaststätten oder Restaurants aufsuchen darf. Ganz generell ist gegen den (kurzen) Besuch eines Restaurants nichts einzuwenden, sofern der Mitarbeiter diesen nicht zu ausschweifend, ausgiebig und exzessiv gestaltet.

Insbesondere auch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer wegen seiner Krankheit z.B. nicht mehr in der Lage ist, für sich selbst zu sorgen und damit auch nicht, für sich zu kochen. In diesen Fällen muss der Arbeitnehmer keine Kündigung durch den Arbeitgeber einfach so hinnehmen.


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