Haare offen oder zusammengebunden, grüne statt schwarze Hose, Piercing in der Nase: Was fällt in den Bereich des Persönlichkeitsrechts und wobei darf der Arbeitgeber mitbestimmen? Diese Rechte gelten für Arbeitnehmer.
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Aussehen am Arbeitsplatz: Arbeitgeber darf mitbestimmen
Geht es um die Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern, zeigt sich, dass es immer wieder Ausnahmen von der Regel gibt. Zum Beispiel fällt die Entscheidung, welches Outfit am Arbeitsplatz getragen wird, meist in den Zuständigkeitsbereich des Arbeitnehmers, weil die Persönlichkeitsrechte betroffen sind. Dennoch kann in Einzelfällen der Arbeitgeber mitentscheiden. Er besitzt das Direktionsrecht, das wiederum persönliche Entscheidungen der Angestellten überlagern kann. In Zweifelsfällen hilft eine professionelle Beratung beim Anwalt für Arbeitsrecht, denn immer wieder gibt es individuelle Entscheidungen und Vorgaben zu berücksichtigen.
Was früher erlaubt war und was heute möglich ist
Sie gehören inzwischen aber zum normalen Bild und kaum jemand wird sich daran stoßen, wenn beispielsweise der Busfahrer einen ganzen Arm tätowiert hat oder wenn die Sekretärin mit offenen Haaren und in Jeans im Büro sitzt. Die Regelungen für die Bekleidung am Arbeitsplatz wurden immer gelockert, je fortschrittlicher und toleranter die Gesellschaft wurde.
Dennoch gibt es Ausnahmen von der freien Entscheidung, in welchem Outfit und Stil jemand am Arbeitsplatz erscheinen darf.
Das Direktionsrecht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber hat ein sogenanntes Weisungsrecht, dem gegenüber steht das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter, das gewahrt werden muss.
Grundsätzlich ist demnach jeder Angestellte frei in seiner Entscheidung, was er anziehen und am Arbeitsplatz tragen darf. Dennoch kann der Arbeitgeber das Recht haben, ein bestimmtes Erscheinungsbild vorzuschreiben, wenn ein sogenanntes „berechtigtes Interesse“ vorliegt.
Ein solches besteht in Bezug auf die Corporate Identity und das Corporate Design. Sollen alle Mitarbeiter beispielsweise eine blaue Hose und eine weiße Bluse oder ein weißes Hemd tragen, weil auch die Unternehmensfarben Blau und Weiß sind, kann ein berechtigtes Interesse bestehen.
Dienstuniformen sind in vielen Berufen sogar üblich und werden nicht hinterfragt, in anderen jedoch kann der Arbeitgeber ihr Tragen vorschreiben. Auch das Tragen von Kleidung mit Unternehmenslogo ist ein solcher Fall, bei dem der Arbeitnehmer kein Mitspracherecht hat.
Häufig kommt in dem Zusammenhang die Frage auf, wie es denn um die Körpermaße stünde, wenn der Arbeitgeber ein bestimmtes Outfit vorschreiben dürfe. Während dies bei schlanken Menschen kein Problem ist, werden übergewichtige Angestellte häufig vor ein Problem gestellt.
Nach allgemeiner Rechtsauffassung gilt ein normales Übergewicht nicht als Grund, sich gegen das Direktionsrecht des Arbeitgebers zu widersetzen.
Auch das Recht auf allgemeine Gleichbehandlung kann nicht geltend gemacht werden, da bei einem Übergewicht keine Behinderung vorliegt. Eine solche könnte anerkannt werden, wenn der oder die Betreffende wirklich extrem zu dick ist.
Eine starke Fettleibigkeit könnte nach Meinung des Europäischen Gerichtshof als Behinderung anerkannt werden, damit wären Sonderrechte in Bezug auf mögliche Bekleidungsvorschriften am Arbeitsplatz denkbar. Der Arbeitgeber hat jedoch in Bezug auf das Körpergewicht ein Mitspracherecht, wenn deutlich wird, dass der Angestellte aufgrund seiner Körperfülle die geschuldete Arbeit nicht mehr erbringen kann.
Wer sich beispielsweise in einem beengten Raum zur Bedienung einer Maschine aufhalten muss oder eine Tätigkeit ausübt, die mit viel Bewegung verbunden ist, muss damit rechnen, dass die Körperfülle zu entsprechenden Hinweisen des Arbeitgebers oder sogar zur Abmahnung führen kann.
Wirksam sind in der Regel solche Vorgaben, die den Arbeitnehmer nur während dessen Arbeitszeit betreffen und die keinerlei Auswirkungen auf den privaten Bereich haben. Somit gilt: Auch ein Bart darf nicht einfach verboten werden, denn das Rasieren würde sich auch im Privatleben auswirken. Eine Einzelfallbetrachtung ist nötig, gegebenenfalls sind Beratungen beim Anwalt für Arbeitsrecht sinnvoll.
Besondere Regelungen beachten
Erfordern hygienische oder sicherheitsrelevante Vorgaben das Tragen bestimmter Kleidung, darf sich ein Arbeitnehmer hiervon nicht ausnehmen. So kann ein Piercing wegen der Gefahr des Hängenbleibens gefährlich werden. Auch ein Bart ist überall dort, wo es in besonderem Maße auf die Hygiene ankommt, nicht sinnvoll.
Ebenso gelten lange Fingernägel sowohl als hygienisches als auch als sicherheitsrelevantes Probleme. Wer beispielsweise im medizinischen Bereich tätig ist, wird kaum mit extrem langen Fingernägeln arbeiten können und dürfen. Der Arbeitgeber hat das Recht, diese zu verbieten.
Besteht regelmäßiger Kundenkontakt, kann der Arbeitgeber ebenfalls Vorschriften festlegen.
Eine Krawattenpflicht hat mittlerweile ausgedient, Tattoos und Turnschuhe sind in vielen Bereichen längst üblich und möglich. Dennoch ist es für einen Arbeitgeber erlaubt, eine Dienstkleidung vorzugeben.
Dies gilt beispielsweise im Bereich der Bahnfahrten oder beim Fliegen: Ein Pilot hat die typische Kleidung zu tragen und muss auch die Kapitänsmütze auf dem Kopf haben.
Entsprechende Regelungen, dass nur Männer eine solche Mütze zu tragen haben, wurden aufgrund der Diskriminierungsvorschriften längst gekappt.
Vertragliche Regelungen zu Bekleidungsvorschriften möglich
Macht der Arbeitgeber Vorschriften bezüglich der Dienstkleidung, sollten diese Vorgaben nicht nur mündlich abgesprochen, sondern im Arbeitsvertrag vereinbart werden. Auch eine Betriebsvereinbarung ist sinnvoll und gilt danach für das gesamte Unternehmen bzw. für den jeweiligen Bereich, für den die Festlegungen getroffen wurden.
Bei Aufnahme der Regelungen in den Arbeitsvertrag besiegelt die Unterschrift des Angestellten, dass er mit den Vorgaben einverstanden ist. Er kann sich dann nicht mehr im Nachhinein weigern, entsprechende Vorgaben umzusetzen. Versucht er das dennoch, riskiert er eine Abmahnung oder schlimmstenfalls die Kündigung. Eine solche ist schon vorgekommen und auch rechtens, wie der folgende Fall zeigt.
Schwarze statt rote Hose führt zur Kündigung
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Die Rechtsprechung ist sich in Bezug auf die Gültigkeit einer Bekleidungsvorschrift in diesen Fällen einig:
- Vorschrift ist möglich, wenn Sicherheit oder Hygiene davon abhängen
- Vorgaben zur Einhaltung der Corporate Identity sind möglich
- Nichtgefallen der Kleidung ist kein Verweigerungsgrund
Im vorliegenden Fall gab es eine Kleiderordnung im Unternehmen, die das Tragen einer roten Schutzhose vorsah. Der Arbeitnehmer war wiederholt in schwarzer Hose am Arbeitsplatz erschienen, er erhielt daraufhin die Abmahnung.
Er trug die schwarze Hose weiterhin und bekam eine zweite Abmahnung. Dies war für den Betreffenden nicht relevant, er verweigerte die rote Hose immer noch mit der Begründung, dass er sie nicht möge.
Der Arbeitgeber sprach in der Folge die Kündigung aus. Der Arbeitnehmer reichte Klage ein, die jedoch ohne Erfolg blieb. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf urteilte, dass die Weisung des Arbeitgebers rechtmäßig gewesen sei und sah die rechtlichen Gründe gegeben: Es ging zum einen um die Sicherheit, denn eine rote Hose war deutlich besser zu sehen als eine schwarze, die eben keine Signalfarbe hatte.
Da in dem Bereich, in dem der Mitarbeiter tätig war, auch Gabelstapler fuhren und es im Sinne der Unfallverhütung darauf ankam, möglichst schnell gesehen zu werden, war diese Signalfarbe wichtig.
Die Corporate Identity wurde als zweiter Grund für die Vorschrift einer roten Hose aufgeführt. Der Arbeitnehmer hingegen konnte außer dem Nichtgefallen keinerlei triftige Gründe vorweisen, nach denen die schwarze Hose die bessere Wahl gewesen wäre.
Das LAG Düsseldorf entschied den Fall mit dem Urteil vom 21.05.2024 (Az. 3 SLa 224/24) und bestätigte damit das Urteil der Vorinstanz (Arbeitsgericht Solingen, Urteil vom 15.03.2024, Az. 1 Ca 1749/23). Die Folge: Die Kündigung war wirksam, der betreffende (ehemalige) Arbeitnehmer musste sich eine neue Stelle suchen.